Bombenentschärfung

Ja, die hatten wir gestern – so ganz plötzlich. Unweit unseres Wohnhauses wurde eine amerikanische Fliegerbombe, ca. 250 kg, gefunden. Auf einer Baustelle. Mir wurde mulmig. Gerade erst einen Tag zuvor haben wir am Zaun dieser Baustelle gestanden, weil der kleine Prinz so fasziniert von Bagger und Kränen ist. 18 Uhr. Wir hatten eine Stunde Zeit, uns auf die Evakuierung vorzubereiten. Als erstes packte ich mein Buch und die Lesebrille ein. Dann persönliche Papiere und einiges für den Kleinen. Man weiß ja nie. Auch wenn äußerst selten was passiert, so ganz ausgeschlossen ist es ja auch nicht. 250 kg ist nun auch nicht so der Bringer, aber gefährlich alle Mal.
Sammelstelle ca. 500 Meter von uns weg, eine Schule. Es war schon alles hell erleuchtet und die Leute strömten so dahin. Ca. 10.000 Bürger sollten den Bezirk verlassen. Mir wurde anders – große Menschenmassen sind überhaupt nicht mein Ding. Viele konnten wohl zu Verwandten oder Freunden fahren – oder zur Arbeit. Unsere Nachbarin musste zur Nachtschicht. Auch nicht schlecht, passte ja irgendwie.
Der kleine Prinz war auf einmal ganz aufgeregt. Wen wunderts? Polizei-, Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge, wohin man nur schaute. Er konnte kaum ruhig sitzen in seiner Karre, so wanderten wir auf dem Schulhof auf und ab. Es füllte sich immer mehr mit Leuten, es wurde richtig dunkel und innerlich beruhigte ich mich – es hatte irgendwie schon fast die Atmophäre eines Volksfestes. Fehlte nur noch Blaskapelle und Bierbuden. Es wurde sogar Tomatensuppe und Kaffee angeboten. Tische, Stühle und draußen auch Bierzeltgarnituren, wo man nur hinschaute. Und es war noch genug Platz, kein Gedränge, keine überhitzten Gemüter, kein genervtes Gestöhne. Im Gegenteil. Wir kamen mit so vielen Leuten ins Gespräch, als würde man sich zu einem Festival treffen. Bombe? Ja, da war mal was … Wären wir nicht so müde gewesen von dem langen Tag, hätte man sicher noch mehr Spaß haben können.

Für Kinder und alte Menschen waren in einer Halle auch Liegen aufgestellt. Der Kleine war offensichtlich müde, Göttergatte auch. Ich schlug vor, das sie doch zu den Liegen gehen sollten. Ich hatte ja mein Buch mit. Hell erleuchtet genug war es auch, so holte ich mir also noch Kaffee und setzte mich in einer Ecke an einen Tisch und las. Wunderbar! Ich konnte dem Ganzen tatsächlich etwas Positives abgewinnen. Es war wohl nicht so ruhig wie zu Hause, aber dennoch durchaus ok. Einige Seiten schaffte ich in meinem Schmöker.
Immer wieder Durchsagen, wie der Stand der Dinge denn war. Irgendwas um 22.30 Uhr kam die Meldung, die Sicherheitszone wäre komplett geräumt, die Entschärfung könne nun beginnen. Es wurde Beifall geklatscht, hieß es doch, das die Entschärfung selbst nicht allzu lange dauert. Gerade als ich weiterlesen wollte, nötigten mir zwei Damen jedoch ein Gespräch auf. Also nix mehr mit lesen (dabei war der Hardcover-Band nun wirklich nicht zu übersehen). Wir quatschten und quatschten und als Göttergatte gerade auf Handy anrief und Bescheid gab, das er mit dem Kleinen kommen wolle, da kam dann auch schon die Meldung, die Bombe wäre entschärft und alle könnten wieder nach Hause gehen.
Heftigster Beifall, auch Jubel war mit dabei. Wir packten unsere paar Habseeligkeiten, die Karre mit dem schlafenden Kind und gingen mit den vielen anderen wieder nach Hause. Keine fünf Stunden nach dem Beginn der Evakuierung war der Spuk vorbei und nachdem ich anfangs doch große Sorge hatte, wie der Abend werden könnte, muss ich sagen: Es war unter den gegebenen Umständen eigentlich ganz schön.

Aber ehrlich … ich muss es nicht noch mal haben. Ich hoffe, die nächste Bombe liegt dann wieder in einem anderen Berzirk. 😉

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