Stefanie Gregg: Der Sommer der blauen Nächte

Der Sommer der blauen Nächte Book Cover Der Sommer der blauen Nächte
Stefanie Gregg
2018
Belletristik
Aufbau Taschenbuch
319
3746634113

Inhaltsangabe:

Jule Jansen steht am Grab ihrer Mutter Marie, die als Künstlerin durch ihre Bilder Emotionen mit Farben ausdrückte. Marie war schon immer anders als andere Mütter, schien oft abwesend zu sein, aber wenn ihre Kinder sie brauchte, war sie da.

Jule ist nicht nur wegen der Beerdigung durcheinander, sondern auch wegen der Arbeit als Psychotherapeutin. In einer Bar lernt sie Ben kennen und entgegen ihrer Gewohnheiten verlebt sie mit ihm eine schöne Nacht. Doch gleich will sie sich wieder von ihm lösen, denn aus irgendeinem Grund scheint er ihr unzuverlässig. Sie strebt nach Sicherheit und Geborgenheit, aber die Kehrseite dessen kann auch Langeweile und eingefahrene Routine bedeuten.

Im Nachlass findet Jule ein Foto von einem Mann, aufgenommen in Manarola, Italien. Sie erinnert sich an den Ort, denn die Familie hat dort oft Urlaub gemacht und einmal war der Papa nicht dabei. Die blauen Bilder, die Marie besonders am Herzen lagen und die tiefe Empfindungen ausdrücken, sind ebenfalls nicht mehr da. Für all das muss es eine vernünftige Erklärung geben, sagt sich Jule.

Den Job ist sie gerade los und irgendwie ist das alles viel zu verwirrend, um nichts zu unternehmen. Und so beschließt Jule nach Italien zu reisen, ohne zu ahnen, dass sie ihre Mutter neu kennenlernt und dabei selbst über sich einiges herausfindet.

Mein Fazit:

Mein allergrößter Dank geht an Stefanie Gregg. Nicht nur, weil sie mir das Rezensions-Exemplar zur Verfügung stellte. Auch, weil ich zusammen mit Jule eine wunderbare Reise erleben durfte, die sie in den Grundfesten erschütterte und gleichzeitig neuen Mut gab.

Marie, die geheimnisvolle Mutter, kommt einem erst ziemlich egoistisch rüber. Sie hat ihre Kunst oft über die Familie gestellt. Wenn sie malte, galt Zeit und Raum nicht mehr. Abwesende Blicke, Momente in fernen Galaxien, aber doch stets liebevoll und gerade in sehr wichtigen Moment war sie für die Kinder Thomas und Jule da. Die Familie hat sie stets so angenommen, aber kaum einer kannte den wahren Grund für ihre Melancholie und unstillbare Sehnsucht. Jule und Thomas haben sie im Nachhinein stilisiert und auf ein hohes Podest gestellt. Nichts konnte das Bild wirklich trüben, sie war einfach so. Aber dann erfährt Jule von dem geheimnisvollen Mann auf dem Foto, auf einem Felsen bei Manarola und beginnt Nachforschungen anzustellen.

Am Anfang begleitet Ben sie, ein Architekt, der für sie wie geschaffen scheint. Jules Herz brennt nahezu für ihn, aber sie hat Angst, sich die Finger zu verbrennen. Ihre Mutter war unzuverlässig und sie will es nicht auch noch in ihrer Partnerschaft erleben. Und doch geht ihr dieser Mann nicht mehr aus dem Kopf. Dass sie ihren Job verliert, ist der Gipfel und sie flieht nach Italien, um aus allem schlauer zu werden, was mit ihrer Mutter auf sich hat. Dabei lernt sie ihre Mutter von einer ganz anderen Seite kennen und auch ihr Leben verändert sich unverrückbar.

Diese Geschichte hat sehr viel Gefühl. Jule Jansen ist mir sofort sympathisch gewesen, auch wenn sie mir mit ihren Gedankensprüngen an Ben zuweilen auf den Keks ging. Aber es sei ihr entschuldigt, denn sie war in Trauer und hochgradig verwirrt. Wer würde denn nicht komisch werden, wenn man plötzlich Wahrheiten über die Mutter erfährt, die man im Leben nicht für möglich gehalten hätte. Auf schmerzliche Weise musste Jule ihre Mutter vom Podest der Verehrung holen und ihr im Nachhinein anerkennen, dass sie nicht nur Mutter und Ehefrau war, sondern auch Mensch mit Gefühlen, Sehnsüchten und einer ziemlich großen Schuld. In kurzen Abschnitten wird über Maries Leben berichtet, dabei war auch sie mir sehr sympathisch und ich konnte mich gut in sie hineinfühlen. Einige ihrer Wesenszüge erkenne ich an mir selbst, allerdings habe ich damals eine andere Entscheidung getroffen wie sie und bezahlte (wie auch sie) einen hohen Preis. Daher kann die Antwort auf die Frage, ob nach dem Herzen oder der Vernunft gehen soll, nicht wirklich falsch oder richtig sein. Vielleicht ist das der Grund, warum das Buch mir so nachging. Es wirkt authentisch, die Figuren haben Ecken und Kanten und bekommen ihren Platz zur freien Entfaltung. Einzig Ben bleibt mir ein bisschen blass.

Die Autorin hat die Geschichte mit Worten gemalt und mich dabei bis ins Innerste berührt, es ist einfach so. Und es hängt mir noch eine Weile nach. Daher kann ich gar nicht anders als fünf Sterne vergeben und eine klare Lese-Empfehlung aussprechen.

Veröffentlicht am 29.05.18!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert