
September 2022
Belletristik
Droemer Knaur
400
Taschenbuch
9783426227718
The Forest of Vanishing Stars (2021)
Veronika Dünninger

Inhaltsangabe:
1922 holt die alte Frau Jerusza die kleine Inge Jüttner, gerade mal zwei Jahre alt, des Nachts aus dem Bettchen in Berlin und verschwindet mit ihr in den Osten in die großen Wälder des europäischen Kontinents.
Jesusza lebt mit und im Wald, nimmt nur, was sie braucht, und bringt dem Mädchen, das sie fortan Jona nennt, alles bei, was sie wissen muss, auch mehrere Sprachen. Doch jedes Leben findet mal ein Ende und der Zweite Weltkrieg ist schon längst im Gange, als Jerusza über 100jährig stirbt.
Jona ist einsam und manchmal traut sie sich aus der Deckung des Waldes in die Nähe eines Dorfes. 1942, kurz nach Jeruszas Tod, entdeckt sie Flüchtlinge im Wald, aus Ghettos entflohene Juden. Ausgemergelt, teilweise krank und alle hungrig, versuchen sie im Wald vor den Nazis zu überleben. Doch ohne Jonas Hilfe würde es schwierig werden, wenn nicht gar unmöglich.
Sie hilft den Menschen, sich im Wald zurecht zu finden, den Bächen und dem Boden nahrhaftes Essen zu entlocken und die Spuren eindeutig zu lesen. Auch die Winterzeit ist Jona bei ihnen und hilft ihnen durch die schwierige Situation. Aber sie bleiben nicht allein, es kommen immer mehr Flüchtlinge in den Wald.
Jona fühlt sich in der großen Gruppe nicht mehr wohl und als sie auch noch betrogen wird, entschließt sie sich, ihren Weg allein durch den Wald weiterzugehen. Sie kommt in ein von Deutschen besetztes Dorf und erkennt dort größere Not als in den Wäldern. Bis sie ein bekanntes Gesicht aus ihren Kindertagen erkennt …
Mein Fazit:
Dies ist ein weiteres dunkles Kapitel aus dem Zweiten Weltkrieg, welches ich gar nicht so auf dem Schirm hatte, was aber in großen Teilen tatsächlich passiert ist.
Die Juden (und vermutlich auch andere Opfer der Nationalsozialisten) sind in die großen Wälder zwischen Polen und Belarus geflohen in der Hoffnung auf ein Überleben. Der große Wald bot ihnen einen gewissen Schutz, doch es gab eben keine Backstube oder Schlachterei in der Nähe. Man musste sich ernähren, irgendwie etwas zu essen haben. Für zwei oder drei Personen war es sicher nicht so schwierig, aber die Gruppe wuchs stetig an, die (die fiktive Figur) Jona versorgen sollte. Es stellte sie vor eine große Herausforderung.
Die nächste Herausforderung bestand darin, sich nicht von den Menschen einnehmen zu lassen. Jona hatte kaum Erfahrung im Umgang mit anderen Menschen und Jerusza lehrte sie stets vorsichtig zu sein. Männer waren sowieso und von Grund auf schlecht und auch alle anderen waren kein Deut besser. Aber Jona fühlte sich oft allein und so riskierte sie ihr Seelenheil, als sie sich den Flüchtlingen annahm. Und oft genug verstand sie die Menschen nicht, wenn sie in ihr nicht die Hilfe sahen, die sie eigentlich bräuchten.
Diese Geschichte ist sehr spannend geschrieben. Die Autorin hat sich einer historischen Tatsache bedient, nämlich dass die Juden tatsächlich vor den Nazis in den Wald flohen. Jonas Rolle ist gänzlich erfunden, aber bringt einen interessanten Ansatz ein. Denn sie kehrt zurück zu den Wurzeln des menschlichen Lebens, back to basic. Ohne Strom und ohne fließend Wasser, ohne Landwirtschaft oder Viehhaltung in der Wildnis zu überleben ist auch eine Kunst, die heute wohl nicht mehr möglich wäre. Den Flüchtlingen damals halft die einfache Lebensart zu überleben. Wer jedoch denkt, der Wald bietet Sicherheit, irrt sich. Die Menschen waren ständig in Bewegung.
Alle Figuren waren sehr gut ausgearbeitet und wirken authentisch. Manchmal gab es einen Schockmoment, wenn man plötzlich und ohne Vorwarnung wieder eine grauenvolle Tat der Nazis liest. Aber sonst konnte ich alles gut nachvollziehen und fühlte mit Jona und den Flüchtlingen mit.
Von mir erhält das Buch fünf Sterne und eine klare Lese-Empfehlung.
Veröffentlicht am 04.05.25!