2012
Sachbuch/ Ratgeber
Engelsdorfer Verlag
195
3961112606
Inhaltsangabe:
Devakumaran Manickavasagan, im Folgenden kurz Devan genannt, stammt aus der Gruppe von Tamilen aus Sri Lanka. Als dort in den 80er Jahren der Bürgerkrieg ausbrach, konnte der Vater zuvor nach Deutschland fliehen. Devans Mutter musste mit den zwei Töchtern dort ausharren, bis sie fünf Jahre später ebenfalls nach Deutschland kamen. Devan selbst ist in Ratingen geboren, wie auch seine kleine Schwester.
Obwohl er in der westlichen Welt geboren wurde, wuchs er in der streng-konservativen Gesellschaft der Tamilen auf. Seine Eltern legten sehr viel Wert auf die eigene Kultur und begegneten der westlichen mit Skepsis und Misstrauen. Die strenge Rollenverteilung aus der Heimat wurde in Deutschland aufrechterhalten, ebenso die strengen gesellschaftlichen Gesetze, die weder mit der deutschen Kultur vereinbar noch gewünscht ist.
So erlebte Devan sein Leben wie in einem Glashaus, gefangen in der eigenen Kultur und doch in Sichtweite mit den universellen Grundrechten, die weder für seine Geschwister noch für ihn galten. Bis er als erwachsener Mann beginnt, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Mein Fazit:
Auch wenn sich Devan auf die tamilische Kultur bezieht, so kann man seine Sichtweise und Erfahrung auch auf andere streng-konservative Kulturen auslegen, die nichts mit den westlichen Werten gemein haben. Somit ist dieser Ratgeber nicht nur etwas für die tamilische Gesellschaft im Exil geeignet, sondern auch für andere. Denn die Schnittpunkte sind klar: Migranten bauen sich ihre eigene Welt auf, um ihre Kultur fern der Heimat zu bewahren. Es zählt nicht das emotionale Bündnis zur Familie, sondern der Status: Wer mehr Geld, mehr Reichtum hat, ist etwas.
Unverarbeitete traumatische Ereignisse lassen mitunter die Gewaltsituation in den Familien eskalieren, aber es wird als normal hingenommen. Die Kinder bleiben dabei oft auf der Strecke, denn gerade sie benötigen den Zuspruch und Liebe der Eltern. Aber sie sind damit beschäftigt, den Status zu erhöhen. Zusätzlicher Druck wird auf die Berufswahl ausgeübt. Nur Akademiker sind offensichtlich gut genug, andere Berufszweige können die Kinder und Jugendliche nicht wählen.
Mädchen haben es da besonders schwierig, denn es gilt nicht das Vertrauen in ihre Tugend, sondern der äußere Schein und der ist unter allen Umständen zu wahren. Daher dürfen viele Migranten-Mädchen nicht das machen, was ihre “westlichen” Freundinnen tun dürfen und für sie eigentlich selbstverständlich ist. Es ist zuweilen erschütternd, wie sehr die Kinder unter diesen zwei verschiedenen Welten zu leiden haben und welche Folgen daraus entstehen. Diese Schilderungen beruhen entweder auf eigene Erfahrung oder Berichte von anderen Betroffenen und machten mich zuweilen betroffen und erschütternd.
Devan geht dabei selbst mit seiner eigenen Kultur ziemlich hart ins Gericht, ohne sich selbst dabei zu verleugnen. Er hat keine Scheu, jene Betroffene zu ermutigen, sich in Therapie zu begeben, wenn sie mit den vielen emotionalen Verletzungen nicht mehr allein umgehen können, ohne andere zu gefährden. Es gab mir einen tiefen Einblick in eine andere Welt und sorgte sowohl für Unverständnis für die andere Kultur (weil ich ja freiheitlich aufgewachsen bin) als für Verständnis für die Menschen, die vielleicht anders sein wollen, aber oftmals gar nicht anders sein können.
Die 195 Seiten sind schnell durchgelesen und werden von zuweilen sehr eindringlichen Bildern begleitet. Ich empfehle es allen, die in zwei verschiedenen Kulturen aufwachsen mussten und sehr viele innere Konflikte sie belasten, von mir gibt es vier Sterne und ein großes Dankeschön an den Autor, der mir das Buch nebst einer sehr schönen Signierung zur Verfügung stellte.
Veröffentlicht am 01.10.17!