2020
Historisch Allgemein
Knaur TB
Berlin - Teil 3
608
3426518899
Inhaltsangabe:
Berlin, zum Ende des 19. Jahrhunderts: Victoria von Gentzsch, die Nichte von Theo und Friederike von Hartung, hat es nicht leicht. Nach ihrer Geburt verstarb Gunda und Gustav, der seine Frau innig liebte, macht ihr seitdem den Tod zum Vorwurf. In seiner Trauer heiratete er Malwine, die Vicky und ihre zwei älteren Brüder jedoch mehr als Ballast empfindet als Freude.
Theo von Hartung hat die Tuch-Fabrik inzwischen übernommen, doch raffgierige Obere im Staatsdienst melden vermeintliche Qualitätsmängel an, um dann nur einen Teil des Preises zahlen zu müssen. Das bringt Theo an den Rand des Ruins. Deshalb sucht er nach privaten Abnehmern, um nicht mehr von den Staatsverträgen abhängig zu sein.
Ein reicher Mann im Hintergrund versucht nicht nur Theo von Hartung in den finanziellen und gesellschaftlichen Ruin zu treiben. Er spannt die Geliebte und den Sohn in seine Machenschaften ein und ergattern dabei die völlig unschuldige Vicky, die nach einem erfolgreichen Jahr an der Oberen-Töchter-Schule genug Selbstbewusstsein entwickelt hat, um zaghafte Zukunftspläne zu schmieden.
Aber Vicky ist kämpferisch und gibt nicht so schnell auf.
Mein Fazit:
Dies ist ein würdiger Abschluss der Trilogie.
Es spielt eine Generation weiter nach Friederike und Theo, ca. 20 Jahre. Die vielen Kinder sind schon beinahe alle groß und füllen die Villa der von Hartung, in der noch immer die Matriarchin Theresa von Hartung aus dem ersten Band der Reihe lebt und waltet. Auch wenn sie eine Frau ist, so herrscht sie mit liebevoller Strenge und Fürsorge. Vicky tut ihr von allen Enkelkindern am meisten Leid. Denn ihre Tochter Gunda hätte nie gewollt, dass Vicky so kaltherzig behandelt wird. Malwine, die zweite Frau an der Seite des Schwiegersohnes, passt eigentlich so gar nicht in die Familie, aber man nimmt sie hin. Sie befeuert die schlechte Behandlung noch und hält Vicky klein, wo es nur geht. Das rächt sich schließlich und Vicky beginnt eigene Pläne zu schmieden, zeichnet und kann ihre Bilder an Modejournale verkaufen. Sie verheimlicht ihre Tätigkeit, würde Malwine ihren Vater doch nur wieder aufstacheln und sie der Unsittlichkeit bezichtigen.
In der gewohnt ruhigen Erzählart hat das Autoren-Paar das Berlin der damaligen Zeit herauf beschworen. Es herrscht so etwas wie Umbruchstimmung, die Adligen hatten oftmals kein Geld mehr und die „Neu-Reichen“ wurden nicht einfach so in die höhere Gesellschaft aufgenommen. Es entsteht Neid und Missgunst, daraus resultieren schließlich widerwärtige Rachepläne und Vernichtungsanschläge. Die Familie von Hartung war dem nicht zum ersten Mal ausgesetzt, sah sich dieses Mal jedoch mit finanziellen Problemen konfrontiert, die sie so noch nicht kannten.
Auch gibt es hier wieder äußerst schmutzige Szenen, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Solche „Orgien“ hat es wohl in der Tat gegeben, aber in welchem Ausmaß ist umstritten. Wegen der verheerenden Folgen für die einzelnen Folgen gab es wohl nur wenige Aufzeichnungen. Es zeigt aber, damals wie heute ist die Gesellschaft nicht immer hui, sondern oft auch pfui.
Es dauert eine Weile, ehe der Spannungsbogen der Geschichte sich anspannt. Ab ca. Mitte des Buches führen die einzelnen Fäden zu einem Ganzen zusammen, dessen Entwicklung durchaus realistisch und glaubhaft ist. Die Figuren sind in der großen Anzahl nicht immer auseinander zu halten, Vicky und ihr näheres Umfeld wurden jedoch ausreichend beleuchtet und weiter entwickelt.
Für die gewohnt detaillierte Milieustudie und der Veranschaulichung der komplizierten Standesregeln gibt es von mir vier Sterne mit einer klaren Lese-Empfehlung.
Veröffentlicht am 24.05.20!